Lebensraum Gebirgsbach
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Lebensraum Gebirgsbach

Im Gebirgsbach fließt kaltes und sauerstoffreiches Wasser über eine unruhige Fließstrecke. Die Bachsohle ist aus unterschiedlichem Material zusammengesetzt: gewachsener Fels, Steine, Schotter, Sand und Lehm wechseln in den bewegten und ruhigen Abschnitten des Bachlaufes ab und werden bei Hochwasserführung immer wieder neu sortiert. Die Vegetation unter Wasser ist auf Algen und Moose beschränkt. Unter und zwischen den Steinen leben am Bachgrund aber tierische Kleinlebewesen in einer großen Artenvielfalt. Dabei handelt es sich vorwiegend um submers lebende Larvenstadien von Insekten (v.a. von Eintagsfliegen, Steinfliegen, Köcherfliegen und Zweiflüglern). Weiters leben in diesem aquatischen Ökosystem Weichtiere, Krebse, Ringelwürmer und andere Gruppen niederer Tiere. Aus der einheimischen Fischfauna leben im Bergbach die Vertreter aus der Familie der Forellenartigen (Salmoniden). So ist der Gebirgsbach angestammte Lebensraum der Bachforelle (Salmo trutta). Eingeführte Arten sind die Regenbogenforelle Oncorhynchus mykiss) und der Bachsaibling Salvelinus fontinalis).

Die Bachforelle (Salmo trutta)
Die Bachforelle ist durch die auffälligen schwarzen und orangeroten Punkte mit weißer Einrahmung an den Körperflanken gut von den anderen Forellenarten zu unterscheiden. Ihr Lebensraum sind die Fließgewässer bis auf 2.000 m MH. Sie ernährt sich von wasserbewohnenden Insektenlarven und anderen Wirbellosen. Sie springt aber auch nach Insekten knapp über der Wasseroberfläche und erbeutet kleine Fische. Die Bachforelle ist wie die anderen Forellenartigen ein Kaltwasserlaicher: Die Fortpflanzung erfolgt im Spätherbst. Im Oberlauf von Quellbächen schlägt das Weibchen (Rogner) mit der Schwanzflosse eine Laichgrube in den Kies und legt dorthin ihre Eier ab, welche vom Männchen (Milchner) extern besamt werden. Forellen legen eine hohe Zahl von vielen Tausenden Eiern, um die Art zu erhalten, weil die Verluste im Gebirgsbach hoch sind. Die Jungfische schlüpfen nach 2-3 Monaten in Abhängigkeit von der Wassertemperatur. Die Bachforelle kreuzt sich häufig mit der Marmorierten Forelle (Salmo trutta marmorata) und bildet mit dieser fertile Hybriden. Die Bachforelle kann eine Länge von 50 cm, ein Gewicht von 2 kg und ein Alter von 6-7, auch 10 Jahren erreichen.
Die Marmorierte Forelle (Salmo trutta marmoratus)
Die Marmorierte Forelle (Salmo trutta marmoratus) ist eine wertvolle einheimische Art der Weißfische, deren genetisches Gut rein erhalten werden soll. In der Fischzucht des Landes Südtirol werden daher aus Muttertieren Eier gewonnen, künstlich besamt und herangezogen, um als Setzlinge in bestimmten Schonstrecken von Fließgewässern eingesetzt zu werden. In diesen Gewässerabschnitten ist der Besatz mit anderen Forellenarten untersagt, um die Marmorierte Forelle genetisch artenrein zu erhalten. Die Marmorierte Forelle kommt nur in jenen Gewässern Oberitaliens vor, welche in das Adriatische Meer entwässern (Endemismus). Man erkennt sie an der Marmorierung aus grünen, schwarzen und weißen Farbmusterungen am Körper und an der Fettflosse der Salmoniden. Die Fischkundler betrachten die Marmorierte Forelle derzeit als eine Unterart, also nicht als eine eigene Art, sondern als eine Art in Evolution. Die Marmorierte Forelle unterscheidet sich von der Bachforelle sowohl im äußeren Aussehen, als auch im Verhalten. Sie ähnelt der Bachforelle aber noch so stark, dass sie mit ihr fortpflanzungsfähigen Nachwuchs erzeugt.
Fließgewässer und stehende Gewässer
Der Nationalpark Stilfserjoch liegt im Zentrum der Alpen und damit in einem der Wasserschlösser Europas mit unverzichtbaren Reserven an Süßwasser. Weltweit bestehen nur 3% der Wasservorkommen aus Süßwasser. Die Gewässer des Nationalparks Stilfserjoch sind eine wertvolle Ressource, auf welche der Nutzungsdruck besonders in Zeiten der Erderwärmung und des Klimawandels zunimmt.
Vom Quellbach zum Niederungssee unterscheiden wir zwischen Fließgewässern und stehenden Gewässern. Zu den Fließgewässern gehören Quellbäche, Schmelzbäche und Flüsse. Zu den langsam fließenden Gewässern zählen wir die häufig künstlich angelegten Kanäle und Abflussgräben in den Talsohlenböden. Sie wurden häufig zur Entwässerung landwirtschaftlicher Kulturflächen angelegt. Wegen des hohen Nährstoffeintrages weisen diese Abflussgräben oft einen dichten Pflanzenbewuchs auf. Sie sind Lebensraum für fast ein Dutzend kleiner Fischarten Südtirols, von denen die meisten zu den ganzjährig geschützten Arten gehören. Zwei Beispiele für solche Grabenbewohner sind die Elritze oder Pfrille (Phoxinus phoxinus) und der Dreistachelige Stichling (Gasterosteus aculeatus).
Zu den stehenden Gewässern gehören die Seen. Im Gebirgsland Südtirol können wir zwischen Hochgebirgsseen und Niederungsseen unterscheiden. Die alpinen Hochgebirgsseen weisen kalte Wassertemperaturen auf, sind mehrere Monate des Jahres zugefroren, dunkel und lebensfeindlich, sauerstoffreich, aber nährstoffarm. Nur extrem angepasste Spezialisten unter den heimischen Fischarten überleben unter solchen extremen Lebensraumbedingungen. Zu diesen Arten in Hochgebirgsseen zählt etwa der Seesaibling (Salvelinus alpinus).
Unter den stehenden Gewässern Südtirols ist der Kalterer See der größte und bekannteste. Sein im Sommer warmes, nährstoffreiches aber gegenüber Gebirgsbächen sauerstoffärmeres Wasser beherbergt die hochrückigen Fischarten wie Karpfen (Cyprinus carpio), Karauschen (Carassius carassius), Schleien (Tinca tinca), Brachsen (Abramis brama) und weiter Arten der Familie der Karpfenartigen (Cyprinidae). Die Lebensgemeinschaft der Fische im Kalterer See besteht aus 12-15 Arten zwischen Pflanzenfressern, Fleischfressern und Allesfressern. Pflanzenfressende Fische ernähren sich von Plankton, Algen, Mikrozoobenthos mit wirbellosen Tieren. Die fleischfressenden Fische wie der Hecht (Esox lucius) oder der Flussbarsch (Perca fluviatilis) sind Raubfische und bilden die oberen Glieder der Nahrungskette.
Das Besucherzentrum aquaprad
Im großen Seeaquarium des Besucherzentrum aquaprad in Prad am Stilfserjoch haben wir den Lebensraum Niederungssee mit seiner Biozönose und Nahrungskette nachgebaut. In lebensnahen Aquarien zeigen wir die fast vollständige Fischfauna Südtirols vom Quellbach bis zum Niederungssee. Nicht zufällig wurde für dieses Besucherzentrum, das der Wasserwelt gewidmet ist, Prad als Standort gewählt: der Suldenbach bildet hier talseits des Dorfes das einzige unverbaute Flussdelta Südtirols und weist noch eine natürliche Fließdynamik auf.
Drei Fischfamilien bilden den Fischbestand Südtirols
Die meisten rezenten Fischarten in Südtirol können in der zoologischen Systematik drei Familien zugeordnet werden: den Forellenartigen (Salmoniden), den Karpfenartigen (Cypriniden) und den Barschen (Perciden).
Die Forellenartigen umfassen die Bach-, Regenbogen-, See- und Marmorierte Forelle, den See- und den Bachsaibling, die Renke und die Äsche. Die Salmoniden sind Fleischfresser Forellen und Saiblinge haben eine stromlinienförmige Körpergestalt und trotzen mit dieser Form der starken Strömung im Oberlauf von Bächen. Die sauerstoffreichen Gewässer der Gebirgsseen und der Bäche werden in der Fischökologie deswegen als „Forellenregion“ oder als Sauerstoffregion bezeichnet. Ein Erkennungsmerkmal aller Salmoniden-Arten ist die Fettflosse als zweite Rückenflosse. Alle einheimischen Salmoniden-Arten sind Kaltwasserlaicher. Im Laichzug schwimmen sie bachaufwärts bis in die ruhigeren Gewässer der Quellbäche und legen ihre Eier in den Wintermonaten zwischen November und Jänner ab. Um den Nachwuchs zu sichern, gilt für die Salmoniden daher eine Schonzeit mit Fischereiverbot bis 15. Februar.
Einheimisch und fremd
Die Fischfauna in den Gewässern Südtirols umfasst derzeit 35-37 Arten. Die Zahl der Arten schwankt, weil neue Arten einwandern oder sich z.B. nach ihrer Verwendung als Köderfische in der Sportfischerei vermehren. Ein solches Beispiel für die Neobiota ist der Blaubandbärbling (Pseudoraspora parva), der ursprünglich aus Südostasien stammt und sich inzwischen in den Überetscher Seen angesiedelt hat. Ein nunmehr schon älterer „Fremder“ ist der Sonnenbarsch (Lepomis gibbosus) aus Nordamerika. Fremde Arten werden als allochthone Arten, heimische Arten als autochthone Arten bezeichnet. In der Südtiroler Fischfauna sind über 40 % der Arten allochthone Arten. Die künstliche Einsetzung oder die spontane Einbürgerung fremder Arten können das natürliche Geleichgewicht und die Nahrungskette unter den heimischen Arten nicht nur bei den Fischen empfindlich stören. Aus diesem Grund wird z.B. die Einsetzung von Europäischen Welsen (Silurus glanus) in Fischgewässern nicht mehr befürwortet: Welse sind raschwüchsige und langlebige Fleischfresser, welche anderen Gliedern der Nahrungskette die Futtergrundlage entziehen.
Fünf große Wassereinzugsgebiete im Gebiet des Nationalparks Stilfserjoch
Das Gebiet des Nationalparks Stilfserjoch wird von einem dichten Netz an Gebirgsbächen durchzogen und beherbergt viele naturbelassene hochalpine Seen. Mit acht Stauseen (u.a. in Martell und Ulten) musste auch ein Tribut an den Bedarf an hydroelektrischer Energie gezahlt werden.
Die Wassereinzugsgebiete können fünf Hauptbächen und Flüssen zugeordnet werden:
Das Wassereinzugsgebiet des Spöl: Der Spöl entspringt in den Bergen von Livigno, speist den gleichnamigen Stausee der Engadiner Kraftwerke und entwässert bei Zernez im Schweizer Engadin in den Inn und schließlich nach dessen Zusammenfluss mit der Donau bei Passau in das Schwarze Meer.
Das Wassereinzugsgebiet der Adda: Die Adda entwässert das lombardische Veltintal. Sie entspringt an den Quellen in der Val Alpisella im Dolomitgebiet von Cancano bergseits von Bormio, durchfließt den Comosee und entwässert in den Po und damit in das Adriatische Meer.
Das Wassereinzugsgebiet des Oglio in der Valle Camonica in der lombardischen Provinz Brescia: Der Oglio mit seinen zwei Quellbächen Frigidolfo aus der Valle delle Messi und Arcanello aus der Valle di Viso mündet in den Iseosee und schließlich ebenfalls in den Po. Erwähnenswert sind auch hier einige Hochgebirgsseen, so die dreizehn Laghi di Seroti und die acht Laghi di Ercavallo.
Das Wassereinzugsgebiet des Noce im Sulz- und Nonsberg: Der Noce entwässert die Hochtäler Rabbi und Peio, welche an der Südabdachung von Cevedale und Monte Vioz den Trentiner Anteil des Nationalparks Stilfserjoch bilden. Der Noce mündet bei Kronmetz oberhalb von Trient in die Etsch.
Das Wassereinzugsgebiet der Etsch: Die Etsch entspringt an der Wasserscheide am Reschenpass, durchfließt den Vinschgau und das Etschtal in Südtirol. Aus dem Nationalpark Stilfserjoch nimmt sie die Seitenbäche Rambach, Trafoibach, Suldenbach, Laaser Bach, Plima (Martell) und Falschauer (Ulten) auf und entwässert in das Adriatische Meer.
Die Gewässerökosysteme als gefährdete Lebensräume
Europa- und weltweit gehören die Wasserlebensräume und Feuchtgebiete zu den sensiblen und gefährdetsten Lebensräumen und Ökosystemen. Als offene Systeme unterliegen sie besonderen Gefährdungen etwa durch Eintrag belastender, auch toxischer Stoffe über die Wasserfracht. Wasser ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Leben auf der Erde. In Zeiten des Klimawandels werden sich weltweit die Auseinandersetzungen um das Wasser verschärfen. In unserem Umgang mit dieser Lebensressource werden wir noch viel verantwortungsbewusster werden müssen.
Der Wasserbedarf in Südtirol
Der Wasserbedarf in unserem Land Südtirol beträgt im Jahr ca. 308 Millionen Kubikmeter im Jahr. Er verteilt sich zu 17% auf das Trinkwasser, zu 16% auf die Industrie, 65% entfallen auf das landwirtschaftliche Brauchwasser und 2% werden für die Erzeugung von Kunstschnee aufgewendet.
Bioindikator Wasseramsel
Wie die Alpengletscher ein Fiebermesser für die menschengemachte Erderwärmung sind, ist die Wasseramsel (Cinclus cinclus) ein sensibler Bioindikator aus der Vogelwelt für die Wasserqualität des Gebirgsbaches. Wo dieser Tauch- und Schwimmvogel vorkommt, ist das Wasser sauber. In der zoologischen Systematik sind die Wasseramseln eine eigene Familie, welche der Familie der Zaunkönige nahesteht. Beide Vogelfamilien gehören zur Ordnung der Sperlingsvögel (Passeriformes). MEHR LESEN ...



Text: Wolfgang Platter
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