Bioindikator Wasseramsel
Wie die Alpengletscher ein Fiebermesser für die menschengemachte Erderwärmung sind, ist die Wasseramsel (Cinclus cinclus) ein sensibler Bioindikator aus der Vogelwelt für die Wasserqualität des Gebirgsbaches. Wo dieser Tauch- und Schwimmvogel vorkommt, ist das Wasser sauber. In der zoologischen Systematik sind die Wasseramseln eine eigene Familie, welche der Familie der Zaunkönige nahesteht. Beide Vogelfamilien gehören zur Ordnung der Sperlingsvögel (Passeriformes).

Lebensraum und Verbreitung
Seit in Südtirol das Programm zum Bau der Kläranlagen baulich umgesetzt ist und sich in der Folge die Wasserqualität in den Bächen und Flüssen verbessert hat, ist die Wasseramsel an fast allen Wasserläufen wieder anzutreffen, deren Ufer nicht zu sehr verbaut sind. Altvögel sind meist streng ortsgebunden. Die Wasseramsel ist als Stand- und Strichvogel Brutvogel des gebirgigen Europas. Sie ist bedroht durch Flussverbauung und -begradigung und Wasserverschmutzung. Die Wasseramsel ist außerhalb der Brutzeit ungesellig und hält sich fast das ganze Jahr über am gleichen Bachabschnitt auf. Sie weicht nur dem Eis im Winter. Wenn die Gebirgsbäche in den höheren Lagen vereisen, werden auch die Etsch ab Meran und einige Seeufer besetzt.

Anpassungen an das Wasserleben
Im Laufe der Evolution hat diese Vogelart verschiedene Anpassungen an den Lebensraum Fließgewässer entwickelt: Das Gefieder ist dichter als bei anderen Singvogelarten. Die große Federdichte erhöht die Wirkung als Isolator. Die Bürzeldrüse ist auffallend groß entwickelt. Mit ihrem öligen Sekret wird das Gefieder imprägniert und dadurch wasserabweisend. Die Nasenöffnungen am Schnabelansatz können durch Häute verschlossen werden, eine Anpassung an das Tauchen. Die relativ kurzen und gerundeten Flügel arbeiten als Ruder unter Wasser. Die Muskulatur des Auges ist für das Sehen unter Wasser besonders kräftig entwickelt. Die kräftigen Zehen mit spitzen Krallen gestatten es der Wasseramsel, sich an den glatten Steinen besser zu halten und kräftig abzustoßen. Im Gegensatz zu den meisten Vögeln sind bei der Wasseramsel die Knochen nicht hohl, sondern mit Mark gefüllt. Dadurch wird deren spezifisches Gewicht erhöht. Es ist auch dann noch nicht hoch genug, um den Vogel beim Tauchgang mühelos unter Wasser zu halten. Daher nutzen Wasseramseln die Strömung aus. Sie stemmen sich mit schräg nach unten geneigtem Kopf, schräg nach oben gestellten Rücken und Schwanz und mit etwas abgespreizten Flügeln gegen die Strömung und werden so auf den Bachgrund gedrückt. Auf dem Grund laufen sie gegen die Strömung. Sie brauchen nur ihre Körperhaltung etwas zu verändern und schießen dann wie Korken an die Wasseroberfläche. Beim Schwimmen auf dem Wasser werden darauf treibende Insekten aufgelesen. Die Schwimmbewegung ist eher unbeholfen und langsam, denn die Wasseramsel hat keine Schwimmhäute zwischen den Zehen.

Erkennungsmerkmale

Die Wasseramsel ist kleiner als die Amsel, rundlich mit kurzem Schwanz, der oft hochgestellt wird und an die nahe Verwandtschaft mit dem Zaunkönig erinnert. Die Oberseite ist schwarzbraun, der Kopf heller braun gefärbt. Kehle und Brust sind mit einem weißen Lätzchen abgesetzt. Die beiden Geschlechter sind im Federkleid nicht zu unterscheiden. Der Vogel sitzt oft auf Bachkieseln inmitten von Bachläufen und knickst dem Zaunkönig ähnlich im Sitzen. Er taucht oder läuft zur Nahrungssuche in das Wasser. Bis 1,5 m Tauchtiefe und 20 m Tauchstrecke wurden gemessen. Altvögel tauchen meist 5 – 10 Sekunden; eine Tauchzeit von bis zu einer halben Minute ist aber schon beobachtet worden. Der Vogel fliegt geradlinig und mit schnellem Flügelschlag in geringem Abstand über dem Wasser.

Ernährung und Fortpflanzung
Die Ernährung ist vielseitig und besteht hauptsächlich aus Wasserinsekten und deren Larven, aber auch aus Flohkrebsen. Zum Auffinden von Insektenlarven im Wasser dreht die Wasseramsel bei ihren Tauchgängen mit dem Schnabel auch Steinchen um. Das Nest wird in unmittelbarer Wassernähe in Nischen, Höhlen, zwischen Baumwurzeln oder unter Brücken gebaut. Es ist ein backofenförmiger Bau mit Eingang, der auf das Wasser gerichtet ist und aus Gras und Moos angelegt wird. Im Inneren wird das Nest mit Blättern ausgepolstert und oft mehrere Jahre benutzt. Der Bau der Kinderstube ist ausschließlich Frauensache. Die 3 -6 reinweißen Eier bebrütet das Weibchen etwa 16 Tage lang alleine. Beide Eltern füttern. Die Nestlingszeit beträgt 20 – 24 Tage. Eine zweite Jahresbrut ist häufig.

Text: Wolfgang Platter